Über die Schafzucht, deren Geschichte, wie Schäfer ihr Geld verdienen und die Zukunft der europäischen Wolle

Professor Dr. Pflanz von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Mein Name ist Wilhelm Pflanz. Ich bin Dekan der Fakultät Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung und habe die Professur für Tierwissenschaften in der ökologischen Landwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf inne. Ich stamme aus einem bäuerlichen Betrieb, habe in Hohenheim Agrarwissenschaften studiert, promoviert und einige Jahre in der Agrarverwaltung bzw. deren Ressortforschung gearbeitet.

Herr Professor Pflanz, was können sie uns zur Historie der Schafhaltung in Europa erzählen?

Die Wiege der Domestikation oder Haustierwerdung von Schafen liegt circa 8.000 - 10.000 Jahre im fruchtbaren Halbmond von Mesopotamien und den nahe gelegenen Bergregionen Westasiens. Die bäuerliche Schafhaltung startete bei uns in Süddeutschland vor circa 300 Jahren, nachdem in der Mitte des 18. Jahrhunderts die herrschaftliche Schäferei endete. Schwerpunkt war hier die Wanderschäferei und es entwickelte sich die Transhumanz also das Begleiten der Herden über weite Strecken im Sommer auf die Höhenzüge im Winter in die Niederungen.

Im 17. und 18. Jahrhundert gab es in Spanien große Merinozuchten. Das waren die glanzvollen Zeiten des goldenen Vlieses. Exporte von Schafen wurden mit dem Tode bestraft. Nach Ende des Exportverbots gelingt es 1786 Karl Eugen, Herzog von Württemberg 104 Schafe für eine erhebliche Summe in Spanien zu erwerben und nach Württemberg zu überführen mit eigens zwei hierfür entsandten Schäfern sowie dem Dirigent der Ludwigsburger Tuchfabrik. Viele andere Könige, Herzoge und Fürsten in Deutschland machten dies ähnlich, so entstanden z.B. auch die Vorläufer des heutigen Saxons Merinos, heute ein Qualitätsbegriff für feine Wolle in Australien. Die Schafzucht war wie erwähnt ursprünglich ein Monopol des Königs, ging dann aber relativ schnell in bäuerliche Hand über. Hauptzweck der Schafhaltung war die Wolle. Es wurde ein umfassender, dezentralisierter Industriezweig in Deutschland aufgebaut mit Wäschereien und Walkmühlen.

Ende des 19. Jahrhundert folgte dann leider auch schon der Niedergang der europäischen Wolle durch stärkere Verwendung von Baumwolle sowie billigere Importe aus Übersee. Die Erfindung der Kunstfaser Anfang des 20. Jahrhunderts verstärkte dies natürlich auch noch. Die Bestände an Schafen in Deutschland und Europa gingen beträchtlich zurück. Heutzutage gibt es keine Wollwäscherei mehr in Deutschland. Aber es gibt politische Bestrebungen wieder eine Infrastruktur hierzu aufzubauen.

Welche Schafrassen haben sich bis heute bei uns durchgesetzt?

Es gibt natürlich eine Vielzahl an Schafrassen, aber das Merino-Landschaf hat sicherlich in Süddeutschland den größten Anteil in den Herden. Ich schätze mal 60 bis 70 Prozent aller unserer Schafe sind Merino-Landschafe. Wir haben in Baden-Württemberg circa 215.000 Schafe, in Bayern 250.000 -  also etwa eine halbe Million Schafe in Süddeutschland. In der Blütezeit Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts waren es allein in Baden-Württemberg 900.000 Schafe. Wir sind also noch bei ca. 20% des damaligen Bestandes, zeitweise waren die Bestände noch deutlicher darunter, in den 1970er waren es nur noch 100.000 Tiere im Südwesten.

Die Rasse der Merino-Landschafe ist nicht zu verwechseln mit Merino Wolle, deren Feinheit vor allem in Australien und Neuseeland erreicht werden kann. Das hat klimatische Gründe bzw. ist dem kälteren und feuchteren Wetter bei uns geschuldet, denn das ist ja die eigentliche Funktion des Vlieses, das Tier zu schützen. Die europäische Wolle ist somit gröber, Merino-Wolle in Australien hat einen Durchmesser von ca. 19 Mikron, Wolle eines Merino-Landschafs bei uns ca. 26-28 Mikron.

Wie verdienen ein Schäferinnen und Schäfer ihr Geld?

Der Schäfereien leben vom Verkauf des Fleisches, dem Auftrag für die Landschaftspflege und damit verbundene öffentliche Ausgleichsleistungen. Abhängig von der Rasse, aber heutzutage nur sehr vereinzelt, ggf. noch vom Verkauf der Milch. Die Wolle an sich bringt derzeit leider kaum noch Gewinn, die meisten sind froh, wenn sie die Kosten der Schur damit decken können und null auf null rauskommen.

Tendenziell geht die Anzahl der Schäferinnen und Schäfer immer weiter zurück, Schäfereien werden größer und die klassische Wanderschäferei wird weniger. Die Wanderschäferei ist einerseits schwer mit der Familie in Einklang zu bringen, zum anderen sind Flächen zum Weiden immer schwerer zu finden. Um als Vollerwerbs-Schäferei überleben zu können braucht man heutzutage mindestens 500 Schafe.

In den 50ger Jahren hat man für ein kg Wolle noch bis zu 3 € bekommen, die Wolle war einstmals der Haupterlös. Wenn der Schäfer jetzt 90 Cent bekommt ist es der Durchschnitt. Ein Schaf erzeugt ungefähr 3-4 kg Wolle pro Jahr, das heißt es werden gerade noch bzw. nicht mal die Kosten der Schur gedeckt.

Wie sehen sie die Zukunft der deutschen und europäischen Wolle?

Es gibt eine Trendwende in Bezug auf Wolle. Dies geschieht zwar langsam, aber es wird zum Glück immer mehr erkannt, dass dieser wertvolle Rohstoff viel zu schade ist, um weggeworfen oder nur als Dünger verwendet zu werden. Die gute bzw. feine Wolle muss für mich in den Textilbereich, die mittlere in Dämmungen, Filze usw. und die schlechtere gerne in Düngepellets und weitere Anwendungen.

Wir versuchen die Schäferinnen und Schäfer dafür zu sensibilisieren, ihre Wolle bereits bei der Schur gut zu sortieren und nach Feinheit zu verpacken, diese ist dann einfacher zu verkaufen. Ein weiterer Ansatz ist es, bei der Zucht darauf zu achten, dass man nicht nur auf die Fleischeigenschaften sondern auch die Wolleigenschaften eines Schafes achtet. Umso feiner die Wolle umso höher die Wertschätzung und Wertschöpfung.

Wir haben hierzu auch ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das sich genau mit diesem Thema befasst. Die Wollfeinheit eines Schafs ist zu gut einem Drittel erblich bedingt. Wenn man gut züchtet, dann kann man im Jahr fast 0,5-1 Mikron an Feinheit gewinnen. Aber natürlich möchte man den Schutzcharakter der Wolle für das Tier nicht schmälern, es ist also ein langsames herantasten gefragt, immer unter dem Aspekt des Tierwohls.

Natürlich ist es dann vor allem wichtig, dass der Endkunde das natürliche Produkt „Wolle“ wieder mehr wahrnimmt als Alternative zu synthetischen Fasern. Denn an sich hat die Schafhaltung auch im Vergleich mit anderen Tierhaltungsformen einen sehr guten Ruf. Ich sehe es auch als Aufgabe der Schäferinnen und Schäfer, immer wieder darüber zu sprechen, dass sie Erzeuger dieser wertvollen Faser sind. Wolle benötigt keine großen Maschinenhallen, um hergestellt zu werden, denn es ist ein natürlich nachwachsender Rohstoff und führt nebenbei noch zu vielen hoheitliche Leistungen wie dem Naturschutz und der Landschaftspflege. Das heißt wir haben ein tolles multifunktionales Produkt erzeugt in einem nachhaltigen Prozess, somit beste Produkt- und Prozessqualität.

Unser gemeinsames Ziel als Gesellschaft muss es sein, unserer regionalen Wolle wieder mehr Wert zu geben und ich bin mir sicher das gelingt auch!