Marcus über Schafhaltung, den Almauftrieb, Tierwohl und Wolle

Marcus Berther - Schafbauer in Disentis, Schweiz

Marcus Berther ist 59 Jahre und seit 1986 Schafbauer in Disentis in der Schweiz. Was als Freizeitspaß mit 20 Tieren anfing, hat sich im Lauf der Jahre zu einem Vollerwerbsbetrieb mit 190 Mutterschafen und 110 Lämmern entwickelt. Wir haben ihn beim diesjährigen Alpauftrieb begleitet und konnten dabei mit Ihm über die Schafhaltung in der Schweiz sprechen.

 

Marcus, wie sieht bei dir die Schafhaltung im Jahreszyklus aus?

Die Herde kommt gegen Ende September herunter von der Alp und dann weiden wir noch in der Nähe des Dorfes und des Hofes die Wiesen ab. Bevor die Böden im November einfrieren und keine Nahrung mehr bieten, müssen wir die Schafe einstallen. Das heißt, normalerweise sind die Schafe von Mitte November bis Ende April im Stall. Im Laufe des Winters finden auch die Geburten statt, das Lammen. Nach der Schneeschmelze dürfen die Muttertiere mit ihren Lämmern zunächst auf die Weiden um den Stall herum, aber sobald das Gras weiter oben zu wachsen beginnt, dürfen die Tiere mit den Hirten auf die sogenannten Almenden ziehen. Almenden sind höher gelegene Flächen in der Nähe der Dörfer und Siedlungen. Je nach Schneelage und Vegetation bringen wir dann die Schafe im Juni von dort auf die hoch gelegenen Alpen, wo die Schafe den ganzen Sommer verbringen.

 

Welche Rolle spielt die Haltung auf der Alp für das Wohl der Tiere?

Für die Schafe sind die Wochen und Monate oben auf der Alp wie Urlaub. Sie können sich in Freiheit auf sehr großen Flächen bewegen. Die Temperaturen oben sind viel angenehmer als im Tal und sie werden auch nicht so stark von Fliegen geärgert. Außerdem haben die Schafe immer Zugang zu jungem, proteinreichen Gras und zu einer Vielfalt an Kräutern. Die Tiere kommen daher in der Regel sehr gesund und gestärkt von der Alp herunter und das wirkt sich in jedem Fall auch auf die Qualität der Wolle aus.

Wie läuft der Alpauftrieb bei Euch ab?

Wir treiben die Schafe, gemeinsam mit unseren Hirten und freiwilligen Helfern, von der Almend im Val Segnas hinunter und durch den Ort Disentis hindurch, wo die Schafe unten am Vorderrhein eine Nacht verbringen. Am nächsten Tag beginnt dann sehr früh am Morgen der Auftrieb durch das Val Russein hinauf auf die Alp Cavrein auf ca. 1800 Meter. Insgesamt legen die Tiere 20 Kilometer und ca. 800 Höhenmeter zurück. Das ist für die Schafe schon anstrengend, aber in der Regel meistern sie das sehr gut.

 

Was sind für dich die spannendsten Phasen auf der Transhumanz?

Im Grunde sind wir schon recht gut eingespielt, da wir seit Jahren den gleichen Weg zurücklegen. Spannend wird es aber immer wieder, wenn wir die Infrastruktur im Dorf benutzen, Straßen, Gehwege, etc. Außerdem überqueren wir am zweiten Tag die Eisenbahngleise. Das müssen wir zeitlich sehr gut abstimmen, so dass die Herde vollständig die Gleise überquert, bevor die Schranken schließen.

 

Es war für uns eine spannende und lehrreiche Erfahrung, beim Alpauftrieb dabei zu sein. Es ist schön zu sehen, wie sich die Schafhaltung in der Schweiz an die Natur, die Jahreszeiten und die örtlichen Gegebenheiten anpasst.